Von einem Ausnahme-Regisseur zu sprechen, ist nicht übertrieben, wenn das Thema auf David Fincher kommt. Seine Filme sind alles andere, als leichte Kost, und weit ab vom bekannt bekömmlichen Kino. Selbst bei beliebten, berühmten Vorlagen kennt Fincher keine Scheu. Mit ALIEN 3 konnte er die Serie tatsächlich wieder in eine neue Richtung bringen, so wie sich zuvor Camerons ALIENS von Scotts Vorbild unterschied. Und mit VERBLENDUNG hätte er fast ein Meisterwerk der Literaturverfilmungen auf die Leinwand gebracht. Nur fast, weil sich schon das schwedische Original als perfekte Adaption präsentierte, mit seiner sehr eigenen, düsteren Atmosphäre. Mit dem erst vor zwei Jahren erschienen Bestseller GONE GIRL konnte sich jetzt der Ausnahme-Regisseur erneut beweisen. Das erstaunliche Ergebnis ist aber nicht nur David Finchers Talent zu verdanken, sondern einer ganzen Reihe von Talenten, allen voran der Buchautorin Gillian Flynn, die selbst das Drehbuch verfasste.
Es ist die ganz große Liebe zwischen Nick und Amy. Eine Liebe fürs Leben, für zwei Menschen, die keinen Beziehungsalltag möchten, die sich gegen alle Konventionen wehren. Und wo jeder vom anderen erwartet, er wäre genau das Besondere. Beide haben das gesucht, und es in dem anderen gefunden. Wie dabei das Eigenartige, nicht zu erklärende Verschwinden von Amy fünf Jahre später zu interpretieren ist, davon handelt dieser komplex spannende Film. Über die Handlung braucht man nicht viele Worte verlieren. Denn entweder kennt man die Geschichte, oder man sollte möglichst wenig davon wissen. Man braucht auch keinen Handlungsablauf für GONE GIRL, um ein eventuelles Interesse noch zu unterstützen. Eigentlich müsste es genügen, zu sagen, das dies ein Thriller von David Fincher ist. Doch dafür ist GONE GIRL wiederum auch nicht so einfach strukturiert. Denn seit FIGHT CLUB ist dies auch David Finchers witzigster Film, manchmal zynisch, sehr oft schwarzhumorig. Aber der Humor besteht eben nicht aus lustigen Einlagen, sondern entsteht aus den oft absurden, weil realistischen, Situationen, die sich aus dem Handlungsablauf ergeben. Und manchmal lacht man, weil es einfach bitter ist, aber auch so nachvollziehbar. Diese Mischung mit knallharten Elementen eines Thrillers ist wirklich einzigartig.
Gegliedert ist GONE GIRL in drei Segmente. Mit jedem Element steigert sich die Dichte der Erzählung. Was ist wirklich passiert, und vor allem: warum? Dabei verlässt sich Fincher ganz auf die exzellente Geschichte und seine erstklassigen Darsteller, voran natürlich Ben Affleck und Rosamund Pike. Anders als noch bei VERBLENDUNG, wird die Kamera zurück genommen, und nicht als atmosphärischen Stilmittel benutzt. Jeff Cronenweth´ Bilder sind klar in ihrer Struktur und ohne beeinflussende Verfremdung. Was Fincher allerdings macht, ist diese einfach wirkenden Bilder als Botschaft zu verwenden. Es gibt eine bestimmte Duschszene, die auf den ersten Blick nicht logisch scheint, aber extrem symbolträchtig ist. Wo deutlich wird, dass Nick und Amy nicht einfach zusammen gehören, sondern warum sie füreinander geschaffen sind. Es gibt auch eine Szene, die sich wiederholt, dabei aber in einen anderen Kontext gesetzt wird. Hier werden die Gefühlswelten offenbart, welche den Zuschauer mit den Charaktere in Einklang bringt. Dass dennoch Kritik an der Auflösung der Geschichte aufkommt, ist der Komplexität geschuldet, welche Fincher und die Drehbuchautorin Flynn ihren Hauptfiguren abverlangen. Das ist in geschriebenen Zeilen einfacher und intensiver aufzuzeichnen, als es ein rein filmisches Medium zu vermitteln vermag.
Wenngleich es angebrachte Kritikpunkte geben sollte, ist GONE GIRL ein sehr einnehmender und beunruhigender Thriller. Beunruhigend auch deswegen, weil er sehr unterhaltsam, oftmals lustig ist. Und diese perfide Mischung, die schon den Roman zu seinem verdienten Erfolg führte, macht aus GONE GIRL den perfekten, weil sehr ungewöhnlichen Thriller. Oder etwas schlicht ausgedrückt: es ist eben ein Film von David Fincher.
GONE GIRL
Darsteller: Rosamund Pike, Ben Affleck, Neil Patrick Harris, Missi Pyle, Carrie Coon, Patrick Fugit, Boyd Holbrook, Scoot McNairy u.a.
Regie: David Fincher
Drehbuch: Gillian Flynn
Kamera: Jeff Cronenweth
Bildschnitt: Kirk Baxter
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross
Produktionsdesign: Donald Graham Burt
145 Minuten
USA 2014
Promofotos Copyright 20th Century Fox of Germany
Ich habe den Film auf Blu-Ray gesehen und habe leider nicht den Vergleich zum Buch. Natürlich werden viele sagen, dass das Ende unglaubwürdig erscheint, aber wenn man sich die beiden Charaktere mal genauer anschaut, ist das Ende vielleicht gar nicht so abwegig. Mir missfällt eher die Entwicklung der Kriminalgeschichte und die Herausbildung einiger Ungereimtheiten, insbesondere gegen Ende. Ich möchte nicht spoilern, aber es müsste für die Polizei und besonders das FBI eigentlich leicht sein, Fehler in der angeblichen Geschichte zu finden. Ok, die Polizistin versucht es, aber dass das FBI so gar kein Interesse daran hat, macht das Ende mit Hinsicht auf den Kriminallfall doch irgendwie absurd, auch wenn man natürlich argumentieren kann, dass es in der Realität schon gröbere Schnitzer gegeben hat.
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