Und dann kam Ju Honisch und erzählte, dass sie für Heyne einen Einhorn-Roman schreiben soll. An der Stelle hatte ich schon die Befürchtung, dass ich den irgendwann würde rezensieren sollen. Obwohl Einhörner nun eben – wie gerade ausgebreitet – nicht so zu meinen bevorzugten Themen zählen. Und meine Kristallkugel hatte recht. Aber da ich Ju schon recht lange kenne und schätze, sagte ich nicht nein. Ich weise gleich zu Anfang darauf hin, bevor noch jemand das »Gefälligkeitsrezension«-Fass aufmacht.
Werbetext:
Die große Saga über die Magie der Einhörner
Einst waren sie ein fester Bestandteil unseres Lebens, weise, friedvoll und verehrt: Einhörner. Doch sie verschwanden und wurden zur Legende. Das dachte auch Una, bis sie eines Tages an einer Quelle in Irland einem jungen Mann begegnet, der von sich behauptet, aus einer anderen Welt zu kommen und ein Einhornprinz zu sein. Bevor Una weiß, wie ihr geschieht, zieht er sie mit in sein Reich und damit in einen gefährlichen Kampf zwischen der guten Magie der Einhörner und der ihrer dunklen Gegner.
So. Da hatte ich den Salat. Alle meine Befürchtungen waren Realität geworden. Fantasy-Chicklit mit Pferde-Einschlag, Horn hin oder her.
Doch man sollte halt den (und ich sage es offen: angesichts des Buchinhalts ein wenig peinlichen) Werbeergüssen der Texter eines Publikumsverlages nicht einfach so vertrauen, dann man kann fast immer sicher sein, dass sie wenig mit dem Buch zu tun haben, und so erzählt der Prinz eben nicht gleich, dass er ein Einhorn-Prinz ist. Und ich sollte auf Ju vertrauen, denn ich kenne sie nun lange genug, um zu wissen, dass sie eben keine 08/15-Romantasy-Schmonzette mit behörnten Kleppern abliefern würde. Wenn ich schon »die große Saga« lese …
Zwischenbemerkung: Auch wenn ich mich in der Besprechung bemühe, keine Spoiler zu schreiben, sollte man davon ausgehen, dass es kleinere Einblicke in den Inhalt des Buches gibt.
DIE QUELLEN DER MALICORN dreht sich also um Einhörner. Was für mich anfangs erschwerend hinzukam war, dass es zudem auch noch um ein Welten-Crossover geht, also um Charaktere, die aus unserer (oder vielleicht: fast unserer) Welt in eine fantastische geraten. Auch das ist ein Klassiker und auch das geht gern mal fürchterlich ins Auge.
Doch die Autorin umschifft nicht nur einen großen Teil der im Zusammenhang mit Einhörnern anzunehmenden Peinlichkeiten, sondern auch jene, die mit weltenwechselnden Protagonisten einhergehen könnten.
Tatsächlich breitet sie eine durchdachte und äußerst farbenfrohe Fantasy-Welt vor dem Leser aus, in der Einhörner die maßgebliche (ich versuche das Wort »dominante« zu vermeiden) Rasse sind. Zwar leben in Talunys auch Menschen, doch diese kamen von einem anderen … Ort – und der Weg dorthin ist seit Jahrhunderten verschlossen, denn die Quellnymphen, die den Übergang ermöglichten, sind verschwunden.
Zumindest dachte man das, bis Kanura, der heißspornige und lebenslustige Sohn des Herrscherpaares der Tyrrfholyn (wie die Einhörner auf Talunys heißen) nicht nur von einem Kelpie angegriffen wird, einem ebenfalls seit Langen vergessen geglaubten alten Feind, sondern zudem durch die Hilfe einer Nymphe in unsere Welt gerettet wird und aus einer alten irischen Quelle … äh … auftaucht.
Und dort trifft er auf die junge Deutsche Una, die im Irlandurlaub ihren Liebeskummer vergessen will. Es kommt wie man erwartet zu Scherereien und beide verschlägt es durch die Quelle nach Talunys.
Ju macht es einem leicht, der Handlung zu folgen. Sie öffnet mehrere Schauplätze mit verschiedenen Protagonisten, die allesamt handlungswichtig sind, auch wenn Kanura und Una selbstverständlich den Kern der Geschichte bilden. Dabei lässt sich die Autorin erstaunlich viel Zeit, das Hintergrundgemälde zu zeichnen, bevor sie erst deutlich später Details hinzufügt, die dann aber für Aha-Effekte sorgen. Ebenso lässt sie es sich nicht nehmen, die Geschichte der Einhorn-Welt sukzessive vor dem Leser auszubreiten, damit man weiß, worum es hier geht und wie die Rahmenbedingungen sind. Aber auch hier fügt sie dem Setting nach und nach immer mehr Facetten hinzu und erhält das Lesen auch abseits der Geschicke der Handlungsträger interessant.
Die Charaktere sind erstaunlich unstereotyp und vielseitig, zudem weiß Ju mit ein paar Überraschungen aufzuwarten. Auch was »das Böse« angeht, sollte man sich auf eine faustdicke Überraschung gefasst machen, die auch in Gruselromanen eine gute Figur machen würde.
Alles in allem schöner und kurzweiliger Lesestoff. Aufgrund des Themas und der offensichtlichen Zielgruppe des Romans (Frauen, als »Tags« liest man bei Random House: »Abenteuer, Irland, Liebe, Fantasy, Einhörner«, ich war sicher nicht die Kernleserschaft, auf die man zielte) hat die Autorin eine Menge Peinlichkeits-Klippen umschifft. Auch die Sex-Szenen gehen in Ordnung. Was mich allerdings etwas befremdete, waren die wiederholten Hinweise auf die schiere Männlichkeit der Einhörner in ihrer menschlichen Form. »Beeindruckendes Gemächt« und so. Das wäre eigentlich völlig überflüssig gewesen und irgendwie passt das auch nicht zu Jus Stil. Ich nehme deswegen an, dass es sich hier um eine Vorgabe des Verlags gehandelt haben könnte, mit Hinblick auf die anvisierte Zielgruppe, siehe in der Klammer oben. Von mir aus dürfen Protagonisten gleich welchen Geschlechts auch gern in einem Roman mal Beischlaf betreiben. Aber in größter Gefahr für Leib und Leben? Nach tagelangen Strapazen und auch noch verletzt? Na gut, vielleicht nach dem Motto »einmal noch, morgen ist´s eh aus« …
Die an manchen Stellen (aber nicht überall) etwas konstruiert wirkenden Sex-Einlagen sind dann aber auch fast das Einzige, was man dem Roman vorwerfen kann. Ansonsten bietet er eine schöne und stimmige Fantasy-Welt (mit ein paar Spritzern beinahe unserer Erde) und interessante Protagonisten. Auch die Handlung weiß nicht zu enttäuschen und man möchte die ganze Zeit wirklich wissen, wo das hinführt und wie es weiter geht.
Macha. Macha ging mir auf den Nerv. Und irgendwie war sie ein wenig Deus ex Machina. Besonders am Ende. Das ist doch kein Ende? Gibt es eine Fortsetzung? Wollte Heyne das so? »Hach, wenn sich das gut verkauft, können wir noch einen unters Volk bringen. Schreiben Sie das Ende mal soundso, Frau Honisch!«?
Argh.
Alles in allem gut lesbare, abwechslungsreiche Fantasy mit unpeinlichen Einhörnern, die insbesondere auch stilistisch überzeugen kann und durchaus keine »lasst uns nochmal was mit irgendeinem Fantasy-Volk machen«-Epigone ist, sondern neue Wege geht, ohne sich nicht in Richtung gewisser Wurzeln zu verneigen. Kleinere Abzüge wegen der unpassenden Gemächts-Referenzen, Sex an unglaubwürdigen Stellen (aber das ist in Büchern und Filmen ja oft so) und einer stellenweise nervigen Hauptfigur (ich hab dazu keine Details geschrieben, findet es selbst raus). Und es war mir etwas dick. Zehn, fünfzehn Prozent weniger wären schon cool gewesen. Und das Ende. Das ist doch kein Ende …
Ich gebe acht von zehn Einhorn-Hörnern. Wieviele davon weiß oder schwarz sind, darf sich jeder selbst überlegen. Und wenn Heyne keine Fortsetzung kauft, werde ich gezielt zehn Bücher aus dem Verlag verreißen. Als Strafe. So. Und für das Cover mit den Blingbling-Sternchen gehört der Verlag auch verhauen – oder der Praktikant, der es verbrochen hat.
DIE QUELLEN DER MALICORN
Ju Honisch
Fantasy-Roman mit Einhörnern und Erdwörgen
Paperback in Klappenbroschur und eBook
9. September 2013
640 Seiten
EUR 14,99 (TB), EUR 11,99 (eBook)
Print:
ISBN-10: 3453314603
ISBN-13: 978–3453314603
eBook (Kindle):
ASIN: B00E7PVX78
Heyne
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Coverabbildung Copyright Heyne; Bild Ju Honisch von mir, CC BY-NC-SA
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