DIE QUELLEN DER MALICORN – Ju Honisch

Cover "Die Quellen der Malicorn"

Ein­hör­ner. Wenn ich die­ses Wort lese, mar­schie­ren sofort gan­ze Kohor­ten von Kli­schees durch mei­nen Geist und nicht vie­le davon gehö­ren zu Lite­ra­tur, die ich wür­de lesen wol­len. Ich kann mich dar­an erin­nern, ich glau­be, es war auf Piers Antho­nys Welt Xan­th, dass ich mal einem begeg­net bin, das mich zum Grin­sen brach­te. Das war damals, wenn ich mich kor­rekt erin­ne­re, des­we­gen, weil es auf die Jung­frau mit der man es ködern woll­te, nicht ansprang. Es war näm­lich schwul.

Und dann kam Ju Honisch und erzähl­te, dass sie für Hey­ne einen Ein­horn-Roman schrei­ben soll. An der Stel­le hat­te ich schon die Befürch­tung, dass ich den irgend­wann wür­de rezen­sie­ren sol­len. Obwohl Ein­hör­ner nun eben – wie gera­de aus­ge­brei­tet – nicht so zu mei­nen bevor­zug­ten The­men zäh­len. Und mei­ne Kris­tall­ku­gel hat­te recht. Aber da ich Ju schon recht lan­ge ken­ne und schät­ze, sag­te ich nicht nein. Ich wei­se gleich zu Anfang dar­auf hin, bevor noch jemand das »Gefälligkeitsrezension«-Fass auf­macht.

Wer­be­text:

Die gro­ße Saga über die Magie der Ein­hör­ner

Einst waren sie ein fes­ter Bestand­teil unse­res Lebens, wei­se, fried­voll und ver­ehrt: Ein­hör­ner. Doch sie ver­schwan­den und wur­den zur Legen­de. Das dach­te auch Una, bis sie eines Tages an einer Quel­le in Irland einem jun­gen Mann begeg­net, der von sich behaup­tet, aus einer ande­ren Welt zu kom­men und ein Ein­horn­prinz zu sein. Bevor Una weiß, wie ihr geschieht, zieht er sie mit in sein Reich und damit in einen gefähr­li­chen Kampf zwi­schen der guten Magie der Ein­hör­ner und der ihrer dunk­len Geg­ner.

So. Da hat­te ich den Salat. Alle mei­ne Befürch­tun­gen waren Rea­li­tät gewor­den. Fan­ta­sy-Chick­lit mit Pfer­de-Ein­schlag, Horn hin oder her.

Doch man soll­te halt den (und ich sage es offen: ange­sichts des Buch­in­halts ein wenig pein­li­chen) Wer­beer­güs­sen der Tex­ter eines Publi­kums­ver­la­ges nicht ein­fach so ver­trau­en, dann man kann fast immer sicher sein, dass sie wenig mit dem Buch zu tun haben, und so erzählt der Prinz eben nicht gleich, dass er ein Ein­horn-Prinz ist. Und ich soll­te auf Ju ver­trau­en, denn ich ken­ne sie nun lan­ge genug, um zu wis­sen, dass sie eben kei­ne 08/15-Roman­t­a­sy-Schmon­zet­te mit behörn­ten Klep­pern ablie­fern wür­de. Wenn ich schon »die gro­ße Saga« lese …

Zwi­schen­be­mer­kung: Auch wenn ich mich in der Bespre­chung bemü­he, kei­ne Spoi­ler zu schrei­ben, soll­te man davon aus­ge­hen, dass es klei­ne­re Ein­bli­cke in den Inhalt des Buches gibt.

DIE QUELLEN DER MALICORN dreht sich also um Ein­hör­ner. Was für mich anfangs erschwe­rend hin­zu­kam war, dass es zudem auch noch um ein Wel­ten-Cross­over geht, also um Cha­rak­te­re, die aus unse­rer (oder viel­leicht: fast unse­rer) Welt in eine fan­tas­ti­sche gera­ten. Auch das ist ein Klas­si­ker und auch das geht gern mal fürch­ter­lich ins Auge.

Doch die Autorin umschifft nicht nur einen gro­ßen Teil der im Zusam­men­hang mit Ein­hör­nern anzu­neh­men­den Pein­lich­kei­ten, son­dern auch jene, die mit wel­ten­wech­seln­den Prot­ago­nis­ten ein­her­ge­hen könn­ten.
Tat­säch­lich brei­tet sie eine durch­dach­te und äußerst far­ben­fro­he Fan­ta­sy-Welt vor dem Leser aus, in der Ein­hör­ner die maß­geb­li­che (ich ver­su­che das Wort »domi­nan­te« zu ver­mei­den) Ras­se sind. Zwar leben in Talu­nys auch Men­schen, doch die­se kamen von einem ande­ren … Ort – und der Weg dort­hin ist seit Jahr­hun­der­ten ver­schlos­sen, denn die Quell­nym­phen, die den Über­gang ermög­lich­ten, sind ver­schwun­den.
Zumin­dest dach­te man das, bis Kanura, der heiß­spor­ni­ge und lebens­lus­ti­ge Sohn des Herr­scher­paa­res der Tyrrfho­lyn (wie die Ein­hör­ner auf Talu­nys hei­ßen) nicht nur von einem Kel­pie ange­grif­fen wird, einem eben­falls seit Lan­gen ver­ges­sen geglaub­ten alten Feind, son­dern zudem durch die Hil­fe einer Nym­phe in unse­re Welt geret­tet wird und aus einer alten iri­schen Quel­le … äh … auf­taucht.
Und dort trifft er auf die jun­ge Deut­sche Una, die im Irland­ur­laub ihren Lie­bes­kum­mer ver­ges­sen will. Es kommt wie man erwar­tet zu Sche­re­rei­en und bei­de ver­schlägt es durch die Quel­le nach Talu­nys.

Ju macht es einem leicht, der Hand­lung zu fol­gen. Sie öff­net meh­re­re Schau­plät­ze mit ver­schie­de­nen Prot­ago­nis­ten, die alle­samt hand­lungs­wich­tig sind, auch wenn Kanura und Una selbst­ver­ständ­lich den Kern der Geschich­te bil­den. Dabei lässt sich die Autorin erstaun­lich viel Zeit, das Hin­ter­grund­ge­mäl­de zu zeich­nen, bevor sie erst deut­lich spä­ter Details hin­zu­fügt, die dann aber für Aha-Effek­te sor­gen. Eben­so lässt sie es sich nicht neh­men, die Geschich­te der Ein­horn-Welt suk­zes­si­ve vor dem Leser aus­zu­brei­ten, damit man weiß, wor­um es hier geht und wie die Rah­men­be­din­gun­gen sind. Aber auch hier fügt sie dem Set­ting nach und nach immer mehr Facet­ten hin­zu und erhält das Lesen auch abseits der Geschi­cke der Hand­lungs­trä­ger inter­es­sant.

Die Cha­rak­te­re sind erstaun­lich unste­reo­typ und viel­sei­tig, zudem weiß Ju mit ein paar Über­ra­schun­gen auf­zu­war­ten. Auch was »das Böse« angeht, soll­te man sich auf eine faust­di­cke Über­ra­schung gefasst machen, die auch in Gru­sel­ro­ma­nen eine gute Figur machen wür­de.

Ju Honisch
Ju Honisch

Alles in allem schö­ner und kurz­wei­li­ger Lese­stoff. Auf­grund des The­mas und der offen­sicht­li­chen Ziel­grup­pe des Romans (Frau­en, als »Tags« liest man bei Ran­dom House: »Aben­teu­er, Irland, Lie­be, Fan­ta­sy, Ein­hör­ner«, ich war sicher nicht die Kern­le­ser­schaft, auf die man ziel­te) hat die Autorin eine Men­ge Pein­lich­keits-Klip­pen umschifft. Auch die Sex-Sze­nen gehen in Ord­nung. Was mich aller­dings etwas befrem­de­te, waren die wie­der­hol­ten Hin­wei­se auf die schie­re Männ­lich­keit der Ein­hör­ner in ihrer mensch­li­chen Form. »Beein­dru­cken­des Gemächt« und so. Das wäre eigent­lich völ­lig über­flüs­sig gewe­sen und irgend­wie passt das auch nicht zu Jus Stil. Ich neh­me des­we­gen an, dass es sich hier um eine Vor­ga­be des Ver­lags gehan­delt haben könn­te, mit Hin­blick auf die anvi­sier­te Ziel­grup­pe, sie­he in der Klam­mer oben. Von mir aus dür­fen Prot­ago­nis­ten gleich wel­chen Geschlechts auch gern in einem Roman mal Bei­schlaf betrei­ben. Aber in größ­ter Gefahr für Leib und Leben? Nach tage­lan­gen Stra­pa­zen und auch noch ver­letzt? Na gut, viel­leicht nach dem Mot­to »ein­mal noch, mor­gen ist´s eh aus« …
Die an man­chen Stel­len (aber nicht über­all) etwas kon­stru­iert wir­ken­den Sex-Ein­la­gen sind dann aber auch fast das Ein­zi­ge, was man dem Roman vor­wer­fen kann. Ansons­ten bie­tet er eine schö­ne und stim­mi­ge Fan­ta­sy-Welt (mit ein paar Sprit­zern bei­na­he unse­rer Erde) und inter­es­san­te Prot­ago­nis­ten. Auch die Hand­lung weiß nicht zu ent­täu­schen und man möch­te die gan­ze Zeit wirk­lich wis­sen, wo das hin­führt und wie es wei­ter geht.

Macha. Macha ging mir auf den Nerv. Und irgend­wie war sie ein wenig Deus ex Machi­na. Beson­ders am Ende. Das ist doch kein Ende? Gibt es eine Fort­set­zung? Woll­te Hey­ne das so? »Hach, wenn sich das gut ver­kauft, kön­nen wir noch einen unters Volk brin­gen. Schrei­ben Sie das Ende mal sound­so, Frau Honisch!«?

Argh.

Alles in allem gut les­ba­re, abwechs­lungs­rei­che Fan­ta­sy mit unpein­li­chen Ein­hör­nern, die ins­be­son­de­re auch sti­lis­tisch über­zeu­gen kann und durch­aus kei­ne »lasst uns noch­mal was mit irgend­ei­nem Fan­ta­sy-Volk machen«-Epigone ist, son­dern neue Wege geht, ohne sich nicht in Rich­tung gewis­ser Wur­zeln zu ver­nei­gen. Klei­ne­re Abzü­ge wegen der unpas­sen­den Gemächts-Refe­ren­zen, Sex an unglaub­wür­di­gen Stel­len (aber das ist in Büchern und Fil­men ja oft so) und einer stel­len­wei­se ner­vi­gen Haupt­fi­gur (ich hab dazu kei­ne Details geschrie­ben, fin­det es selbst raus). Und es war mir etwas dick. Zehn, fünf­zehn Pro­zent weni­ger wären schon cool gewe­sen. Und das Ende. Das ist doch kein Ende …

Ich gebe acht von zehn Ein­horn-Hör­nern. Wie­vie­le davon weiß oder schwarz sind, darf sich jeder selbst über­le­gen. Und wenn Hey­ne kei­ne Fort­set­zung kauft, wer­de ich gezielt zehn Bücher aus dem Ver­lag ver­rei­ßen. Als Stra­fe. So. Und für das Cover mit den Blingbling-Stern­chen gehört der Ver­lag auch ver­hau­en – oder der Prak­ti­kant, der es ver­bro­chen hat.

DIE QUELLEN DER MALICORN
Ju Honisch
Fan­ta­sy-Roman mit Ein­hör­nern und Erd­wörgen
Paper­back in Klap­pen­bro­schur und eBook
9. Sep­tem­ber 2013
640 Sei­ten
EUR 14,99 (TB), EUR 11,99 (eBook)
Print:
ISBN-10: 3453314603
ISBN-13: 978–3453314603
eBook (Kind­le):
ASIN: B00E7PVX78
Hey­ne

[cc]

Cover­ab­bil­dung Copy­right Hey­ne; Bild Ju Honisch von mir, CC BY-NC-SA

[aartikel]3453314603[/aartikel][aartikel]B00E7PVX78[/aartikel]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.

Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.

Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.

* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos

Schließen