ZOMBIELAND: DOUBLE TAP – Bundesstart 07.11.2019
… Zehn Jahre später … Vieles hat sich weiter entwickelt. Schauspieler haben ihre Karrieren fortgeführt, vertieft, oder Preise gewonnen, manche nicht, dafür waren sie nominiert. Zehn Jahre sind eine lange Zeit für Hollywood. Das Zielpublikum von damals ist mittlerweile erwachsen. Drehbuchautoren feiern Erfolge mit Superhelden. Regisseure machen sich rar und erobern den Bildschirm. Little Miss Sunshine hat sich zu einem unverzeihlichen Remake überreden lassen und ein True Detective wandelt als Highwayman in Paul Newmans Fußspuren. Selbst im Independent-Film wurden die Practical-Effects von dominanten Computer-Animationen abgelöst. Die Lizenzen für die Verwendung von Metallicas »Master of Puppets« sind erschwinglich geworden. Die meisten Zombiefilme versuchen sich in schwarzem Humor und derben Witz. Und die Comic-Serie THE WALKING DEAD hat noch vor Band 200 das Zeitliche gesegnet. War sowieso sehr unrealistisch, denn mittlerweile gibt es eine neue Art von Zombie. Sie werden T‑800 genannt, nach dem Terminator, weil sie selbst nach einem Kopfschuss einfach nicht aufgeben wollen.
Zehn Jahre sind in Hollywood eine lange Zeit. Da hat man fast schon alles gesehen, gehört und gelesen. Und bevor man versucht, sich auf etwas Eigenes zu berufen, was dann letztendlich doch als Plagiat abgetan wird, kann man genauso gut auf Altbewährtes zurückgreifen. DOPPELT HÄLT BESSER ist dabei nicht nur Titel, sondern auch Programm, in vielerlei Bedeutungen. Um im Haifischbecken von Apokalypsen nicht verschlungen zu werden, muss man sich etwas einfallen lassen. Das haben Rhett Reese und Paul Wernick mit Ruben Fleischer kongenial umgesetzt. Vor zehn Jahren. Jetzt haben sie sich Dave Dave Callaham als Autor mit ins Blutbad geholt. Herausgekommen ist eine Bestätigung, dass der Spruch weniger-ist-mehr in Hollywood keinerlei Bedeutung hat. Und das ist in diesem Fall einfach zu viel.
In erster Linie war ZOMBIELAND ein Erfolg, weil er zu vielen kleinen originellen Ideen, die geradezu einzig perfekte Darsteller-Paarung hatte. Zugegeben waren auch Abigail Breslin und besonders Emma Stone ein wahre Bereicherung, aber es war unumstößlich der Film von Woody Harrelson und Jesse Eisenberg. Einfach nur weil sie ihr persönliches Image ausspielten mutierte die anfängliche Komödie ebenbürtig zur bösen Satire und herrlichen Farce. Man konnte sich also auf das Ensemble verlassen, ebenso auf den schnell erreichten Kultstatus. Und weil doppelt besser hält, schien sich eine Fortsetzung wie von selbst zu schreiben. Doch man kennt die Gaststätten-Empfehlungen, wo die Portionen so groß sind, dass man sie gar nicht schaffen würde. Geneigter Zuschauer, treuer Fan und neugieriger Neueinsteiger wären mit der Portion fertig geworden. Nur die Autoren und der Regisseur haben sich bei der Zubereitung in ihren Ansprüchen selbst überfordert.
Der Versuch, sich von der Metaebene der Selbstreflexion des ersten Teiles zu lösen, und darüber eine erweiterte Ebene zu errichten, hört sich nicht nur interessant an, sondern kann auch verdammt spannend und unterhaltsam werden. Man erinnere sich an die Auflösung von THE LEGO MOVIE. Doch DOUBLE TAP entwickelt dabei nicht wirklich Neues, sondern ist einzig auf seine selbst erschaffenen Leitbilder fokussiert. Alle Charakter tragen Namen amerikanischer Städte oder Staaten. Hier kommt Nevada hinzu, und Höhepunkt des aktuellen Beziehungsstatus´ ist die Erkenntnis, aus welcher Stadt in Nevada die Figur kommt. Oder dass ein Charakter ständig darunter leidet, die von Columbus erstellten Regeln zum Überleben bei einer Zombie-Apokalypse zu missachten. Unverhofft erhält die Patchwork-Familie Zuwachs mit einem Duo, welches Tallahassee und Columbus in Aussehen und Manierismen absolut gleichen. Nur dass die Regeln von Columbus’ Gegenpart mit römischen Ziffern auf der Leinwand eingeblendet werden. Noch dazu, dass Albuquerque und Flagstaff die Namen tragen, welche seinerzeit zuerst für Harrelson und Eisenberg erdacht waren.
Unentwegt stützt sich der Film auf Selbstreferenzen, und manchmal geht er dabei sogar über die normale Erzählform hinaus. Wie eben bei den Namen von Albuquerque und Flagstaff, oder wenn der Erzähler den eigenen Film auf eine normale Kinounterhaltung herunter bricht. Das ist teilweise witzig, meist unterhaltsam, wirkt aber stets wie das Abhaken einer Einkaufsliste, die wie im richtigen Leben wahllos zusammen geschrieben wurde. Aber DOUBLE TAP ist kaum ein Griff ins Leere. Der Running Gag mit einem Mini-Van ist grandios, und verkommt nicht zum Selbstzweck, weil er absolut mit Tallahessees Figur einher geht. Und eine echte Bereicherung und als wirklicher Szenen-Dieb entpuppt sich Zoey Deutch als Madison, die so dumm ist, dass man als Zuschauer kaum ihren nächsten widersinnigen Satz erwarten kann. Auch wenn sich der Charakter selbst ad absurdum führt, weil Madison eigentlich keine zehn Minuten in einem Land mit Zombies überleben könnte.
Aber ist ZOMBIELAND: DOUBLE TAP witzig? Nein, ist er nicht. Dabei muss man allerdings voraus schicken, dass diesen Zeilen die deutschsprachige Synchronisation zugrunde liegt. Und mit Ausnahme von Joey Deutchs Äußerungen, klingen die Dialoge von Harrelson, über Eisenberg, hin zu Stone oder Dawson wie Ergüsse von achtjährigen Drittklässlern. Es tut weh zu hören, dass die flotten Sprüche lustig ankommen möchten, aber unentwegt schon auf halber Aussprache verhungert sind. Und es ist auch nicht witzig, wenn jemand auf Dope angesprochen ganz entrüstet reagiert, wo selbst der unbedarfteste Zuschauer den eigentlichen Ausgang dieses Dialogs schon lange erahnt. Noch immer ist hier die deutsche Synchronfassung im Gespräch.
Es ist schön, wenn man nach zehn Jahre wieder einmal einen Blick auf alte Bekannte wirft. Wie haben sie sich entwickelt? Wo stehen sie in ihrer Beziehung? Wie geht es ihnen? Sehr viel Zeit verschwenden die Macher mit diesen Fragen nicht, und unterwerfen ihre Figuren immer wieder dem Zweck der Handlung. Plausibel ist in ihren Handlungen kaum etwas, gerade nach zehn Jahren familiärer Zusammengehörigkeit. Und sei es noch so unlogisch, es muss getan werden, was dem nächsten Set-Piece dienlich ist. Wie Tallahessees unvermittelter Aufbruch, der keinen Sinn, aber einen anstehenden Kampf erst möglich macht. Das gilt ebenso für die End-Credits-Scene, die noch dazu so lust- und humorlos inszeniert ist, dass man nichts verpasst hat, sollte man sie verpassen.
ZOMBIELAND: DOUBLE TAP ist keineswegs Zeitverschwendung. Aber er ist weit von dem entfernt, was man erwartet hatte. Weniger ist eben doch manchmal mehr. Und Selbstreferenzen sollten so eingebaut und inszeniert werden, dass sie nicht den Eindruck von Selbstverliebtheit erwecken. Doch in einem voll besetzten Kinosaal und seiner einhergehend angemessenen Atmosphäre, können 99 Minuten Harrelson und Eisenberg durchaus den Alltag versüßen. Und endlich konnte Regisseur Fleischer auch Metallicas MASTER OF PUPPETS zum Titelvorspann hören lassen, was ihm für den ersten Teil wegen der hohen Lizenzgebühren verwehrt geblieben war.
ZOMBIELAND: DOUBLE TAP
Darsteller: Woody Harrelson, Jesse Eisenberg, Emma Stone, Abigail Breslin, Zoey Deutch, Rosario Dawson & Special Guests u.a.
Regie: Ruben Fleischer
Drehbuch: Dave Callaham, Rhett Reese, Paul Wernick
Kamera: Chung-hoon Chung
Bildschnitt: Chris Patterson, Dirk Westervelt
Musik: David Sardy
Produktionsdesign: Martin Whist
99 Minuten
USA 2019
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