Bandit bespricht: MEGALOPOLIS

MEGALOPOLIS – Bun­des­start 26.09.2024 – Release 25.09.2024 (FR)

Er ist ein Erfin­der, ein Visio­när. Einer, der die Zukunft gestal­ten will, den nichts auf sei­nem Weg auf­hält. Sein Traum ist sei­ne Lei­den­schaft, und die­se Lei­den­schaft könn­te unse­re Gesell­schaft viel siche­rer machen. Die gro­ßen Kon­zer­ne wol­len ihn zer­stö­ren. Aus Angst vor sei­nen Ideen, vor dem Neu­en – und dem Ver­lust ihrer Macht. Sein Name ist Pres­ton Tucker, der 1946 ein Auto­mo­bil mit Tech­ni­ken vor­stell­te, die erst Jahr­zehn­te spä­ter Ein­zug in die Indus­trie hiel­ten, weil die gro­ßen Kon­zer­ne Tucker sei­ner­zeit stopp­ten. Fran­cis Ford Cop­po­la hat einen Film dar­über gemacht. Und die ein­lei­ten­den Wor­te könn­ten genau­so gut Cesar Cati­li­na beschrei­ben, einen Visio­när der New Rome aus sei­nen sozio­po­li­ti­schen Rui­nen neu erschaf­fen möch­te. Aber im Gegen­satz zu dem ansehn­lich ver­film­ten, sehr unter­halt­sa­men TUCKER, ist MEGALOPOLIS ein erzäh­le­ri­scher Fie­ber­traum und visu­el­le Sin­nes­täu­schung. Aller­dings soll­te das nicht nega­tiv ver­stan­den wer­den.

New Rome ist natür­lich New York, die Figu­ren der römi­schen Geschich­te ent­nom­men, aber das Set­ting im Heu­te ver­wur­zelt. Jeder ist sich selbst der Nächs­te, wenn es dar­um geht, dem Vol­ke nütz­lich und dien­lich zu sein. Bür­ger­meis­ter Cice­ro hält an den alten, zer­fal­len­den Struk­tu­ren fest, wäh­rend der Erfin­der Cesar Cati­li­na die­se Struk­tu­ren auf­bre­chen und von Grund auf neu gestal­ten möch­te. Sei­ne Erfin­dung ist ein fle­xi­bler Bau­stoff, der Häu­ser, Stra­ßen und Plät­ze von selbst den Bedürf­nis­sen der Men­schen anpasst. Das muss man nicht zwangs­wei­se ver­ste­hen, weil man ohne­hin Schwie­rig­kei­ten hat, den Film als sol­chen zu ver­ste­hen. Ein Film, der zwei Gefüh­le auf ein­mal aus­löst – man wird ihn sich nicht noch ein­mal anse­hen wol­len und man wird ihn sich unbe­dingt noch ein­mal anse­hen, um zu begrei­fen, was einem ent­gan­gen ist.

Megalopolis

Fran­cis Ford Cop­po­la hat nie zwei­mal den glei­chen Film gemacht. Selbst der zwei­te Teil sei­nes bekann­tes­ten Films unter­schei­det sich in allen Ele­men­ten vom Ori­gi­nal. Aber wie es scheint, hat Cop­po­la alles in MEGALOPOLIS hin­ein gewor­fen, was er jemals an insze­na­to­ri­schen Ideen, tech­ni­schen Mit­teln, und visu­el­len Tech­ni­ken ver­wen­det hat. Das ist der Punkt an dem der Rezen­sent an sei­ne Gren­zen stößt. Gutes her­vor­zu­he­ben und das War­um zu erläu­tern, oder mit dem Ver­such einer Erklä­rung das Nega­ti­ve erwäh­nen. An MEGALOPOLIS ist alles super. Inhalt, Dar­stel­ler, Bild­ge­stal­tung, Tem­po, Sound­de­sign, sogar die kon­tro­vers the­ma­ti­sier­ten Trick­tech­ni­ken und deren Umset­zung.

Die Fra­ge ist nur, ob das alles wirk­lich so zusam­men­passt, wie es Cop­po­la zusam­men­fügt. Eine Fra­ge, die hier gestellt wer­den muss, obwohl sie eigent­lich an die­ser Stel­le beant­wor­tet wer­den soll­te. Der Regis­seur schüt­tet über dem Publi­kum einen gigan­ti­schen Topf an Ideen aus. Poli­ti­sche Kom­men­ta­re, Gedan­ken über Fami­lie, Zukunfts­tech­no­lo­gie, Far­ce, Sati­re, Dra­ma, Komö­die. Eine Fabel beti­telt Fran­cis Ford Cop­po­la sein Opus Magnum. An die Stel­le von Tie­ren sind Men­schen aus einer ent­rück­ten Zeit getre­ten.

Megalopolis

Der Film stellt einen in vie­ler­lei Hin­sicht auf die Pro­be, am meis­ten aber mit sei­nen Figu­ren. Kei­ne von ihnen hat wirk­li­che Tie­fe, oder eig­net sich zur Iden­ti­fi­ka­ti­on. Im Mit­tel­punkt steht der Archi­tekt Cesar Cati­li­na, den Adam Dri­ver mit der gesam­ten Palet­te von mög­li­chen Wesens­zü­gen ver­kör­pert, mit einem Selbst­ver­ständ­nis das über­wäl­tigt. Arro­gant, lie­be­voll, jäh­zor­nig, sen­si­bel, ego­is­tisch, gebro­chen, ver­liebt, über­heb­lich, und hass­erfüllt. Aber wirk­lich grei­fen kann man Cati­li­na nicht, kei­nen der gleich acht Haupt­cha­rak­te­ren, oder der nicht min­der wich­ti­gen Neben­rol­len. Wie Lau­rence Fishb­ur­ne, der als Erzäh­ler fun­giert, aber wie alle ande­ren im Hier und Jetzt ver­an­kert ist. Kei­ne der Figu­ren hat einen wirk­li­chen Hin­ter­grund, oder eine greif­ba­re Geschich­te.

Aber spielt das alles eine Rol­le in Anbe­tracht der Opu­lenz an explo­die­ren­den Bil­dern, aber­wit­zi­gen Ideen, und viel zu vie­len Gedan­ken? Jedes Mal wenn man als ver­blüff­ter Zuschau­en­der glaubt die Hand­lung zu durch­schau­en, legt der Regis­seur noch ein­mal nach. Genau an den Punk­ten, wo man denkt der Film hät­te end­lich eine Struk­tur gefun­den, bricht er aus die­ser Linie wie­der aus. Immer wie­der. Visu­ell ist MEGALOPOLIS viel zu auf­re­gend, um ihn ein­fach auf­zu­ge­ben. Ver­spiel­te Bil­der, die mit ihrer arti­fi­zi­el­len Über­hö­hung beein­dru­cken und einen opti­schen Rausch erzeu­gen. Dazwi­schen wer­den die alten Phi­lo­so­phen zitiert, und noch viel mehr Shake­speare, oder die Figu­ren ver­fal­len in obs­zö­ne Gos­sen­spra­che. Es ist der stän­di­ge Wech­sel von Insze­nie­rungs­sti­len, Tem­po, Spra­che, und Atmo­sphä­re, der die tat­säch­li­che Struk­tur bil­det.

Der wun­der­voll zurück­ge­nom­me­ne, dafür umso bril­lan­te­re Lau­rence Fishb­urn sagt als Cati­li­nas Assis­tent Fun­di Romaine an die Zuschau­en­den gewandt: »Wann geht ein Impe­ri­um unter? Zer­fällt es in einem schreck­li­chen Moment? Nein, nein… Aber es kommt eine Zeit, in der die Men­schen nicht mehr dar­an glau­ben«. Viel­leicht ist es eine Art selbst­er­fül­len­der Pro­phe­zei­ung, die Fran­cis Ford Cop­po­la vor­an­stellt. Im Film zer­fällt das Impe­ri­um des New Rome, aus dem sich die Uto­pie Mega­lo­po­lis erhebt. Fran­cis Ford Cop­po­la hat noch nie einen Film zwei­mal gemacht, aber er hat alle sei­ne Fil­me in die­sen einen gepackt. Das macht MEGALOPOLIS mit­rei­ßend, aber kein biss­chen ersicht­lich. Man kann von die­sem Film nur abra­ten, aber man soll­te ihn gese­hen haben.

Megalopolis

MEGALOPOLIS
Dar­stel­ler: Adam Dri­ver, Gian­car­lo Espo­si­to, Natha­lie Emma­nu­el, Aubrey Pla­za, Lau­rence Fishb­ur­ne, Talia Shire, Jason Schwartzman, Jon Voight u.a.
Regie & Dreh­buch: Fran­cis Ford Cop­po­la
Kame­ra: Mihai Malai­ma­re Jr.
Bild­schnitt: Cam McLauch­lin, Glen Scant­le­bu­ry, Robert Scha­fer
Musik: Osval­do Goli­jov
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Beth Mick­le, Brad­ley Rubin
USA /​ 2024
138 Minu­ten

Bild­rech­te: CONSTANTIN /​ AMERICAN ZOETROPE /​ LIONSGATE

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.

Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.

Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.

* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos

Schließen