Bandit bespricht: DER WILDE ROBOTER

Poster Der Wilde Roboter

THE WILD ROBOT – Bun­des­start 03.10.2024 – Release 12.09.2024 (AUS)

Pre­view, 29.09.24, Cine­plex Fürth

Mit den Dreh­bü­chern und Insze­nie­run­gen von LILO & STITCH, DRACHENZÄHMEN, oder THE CROODS hat Chris San­ders die Welt der Ani­ma­ti­on berei­chert, und das Fami­li­en­ki­no begeis­tert. San­ders hat auch die Sto­rys zu MULAN, ALADDIN, und KÖNIG DER LÖWEN gehabt. Und all die­se Erfol­ge kul­mi­nie­ren in dem, was Chris San­ders mit der Adap­ti­on und Rea­li­sa­ti­on von Peter Browns Fabel THE WILD ROBOT geschafft hat. Er selbst beschreibt den visu­el­len Stil sei­nes jüngs­ten Film als »ein Gemäl­de von Monet in einem Wald von Miya­za­ki«, des japa­ni­schen Ani­me-Regie­poe­ten. Die­se Erklä­rung kann man in jeder ver­nünf­ti­gen Rezen­si­on fin­den und sie ist nicht etwa als Wie­der­ho­lung zu ver­ste­hen. Es ist schlicht­weg die best­mög­li­che Cha­rak­te­ri­sie­rung, um den fan­tas­ti­schen Zei­chen­stil die­ses Films ange­mes­sen zu beschrei­ben.

Wäh­rend eines Tai­funs geht der Robo­ter ROZZUM 7134 bei einem Trans­port­flug ver­lo­ren und stran­det auf einer von Men­schen unbe­völ­ker­ten Insel. Die unzäh­li­gen Tier­ar­ten begeg­nen dem spä­ter nur noch Roz genann­ten Robo­ter mit Feind­se­lig­keit, weil das elek­tro­nisch mecha­ni­sche Wun­der pro­gram­miert ist, zu hel­fen. Ein­fach nur in allen Lebens­la­gen zu hel­fen. Ein unbe­greif­li­ches Kon­zept in einer Welt, in der es nur um fres­sen und gefres­sen wer­den geht. Im Cha­os von Ableh­nung und Anbie­de­rung tötet Roz eine Kana­da­gans samt ihrem Gele­ge, bis auf ein Ei. Spä­ter wird das Gän­se­kü­ken Bright­bill hei­ßen, mit des­sen Auf­zucht Roz end­lich eine Auf­ga­be hat. Unter­stützt vom Fuchs Fink, der aber im Hin­ter­kopf Bright­bill immer noch als Mahl­zeit sieht.

Nach der Inhalts­an­ga­be glaubt man bei DER WILDE ROBOTER an eine bereits in unzäh­li­gen Varia­tio­nen erzähl­te Geschich­te. Und das ist gar nicht ein­mal so ver­kehrt. Aber genau dar­aus gene­riert San­ders auch den fes­seln­den Zau­ber der Erzäh­lung. Auf der einen Sei­te hört sich die Hand­lung zu Recht sehr sim­pel an. Dem gegen­über steht aller­dings eine sehr tief­grün­di­ge Aus­ein­an­der­set­zung mit kom­ple­xen Gefühls­wel­ten, die gleich­be­rech­tigt zwi­schen sehr emo­tio­nal und auch extrem lus­tig wech­seln.

Und manch­mal sind urko­mi­sche Momen­te sehr dra­ma­tisch, oder umge­kehrt. Chris San­ders hat ganz klar einen Fami­li­en­film gemacht, aber den­noch auch über­ra­schend anders. Denn die­se Fabel bleibt dem Wesen ihrer Tie­re treu. Die bes­ten Lacher erzeugt der Film mit sei­nen unge­schön­ten Ein­zei­lern über die Unbarm­her­zig­keit der Natur. Da stockt dem Erwach­se­nen ver­ständ­li­cher­wei­se öfter mal der Atem, wenn die lie­ben Klei­nen mit im Kino sit­zen. Aber Fuchs Fink klärt die hilfs­be­rei­te Roz ein­mal ziem­lich barsch auf, und wen­det sich damit durch­aus auch an das Publi­kum: »Lie­bens­wür­dig­keit ist kei­ne Fer­tig­keit zum Über­le­ben«. Auch wenn die Insze­nie­rung Kitsch nicht aus­lässt, sogar sehr bewusst ein­setzt, sind Ver­hal­ten und Aus­sa­gen diver­ser Tie­re nicht unbe­dingt zim­per­lich. Der Anteil an treff­si­che­ren, sar­kas­ti­schen Momen­ten ist sogar sehr hoch.

 

Wild Robot

Die Cha­rak­ter­zeich­nun­gen sind über dem Durch­schnitt. Immer noch einem Fami­li­en­film ange­mes­sen, aber etwas tief­grün­di­ger, weil sie ihre eigent­li­che Natur behal­ten dür­fen. Das macht viel Freu­de mit der Opos­sum-Fami­lie, die lernt sich tot zu stel­len. Dem geris­se­nen Fuchs, dem man erst sehr spät ver­trau­en kann. Oder dem Biber, der von allen ver­al­bert wird, weil er ein­fach nicht das nagen las­sen kann. Sogar in der deut­schen Syn­chro­ni­sa­ti­on gelingt Judith Rakers für Roz die per­fek­te Balan­ce nüch­tern und robo­ter­haft zu reden, aber den­noch merk­lich dif­fe­ren­zier­te Emo­tio­nen durch­schei­nen zu las­sen.

Der Knack­punkt ist dem Gen­re geschul­det, ein drit­ter Akt mit unheim­lich viel Getö­se, wel­ches den Tie­ren in der Aus­ein­an­der­set­zung mit Men­schen fast schon zu viel anthro­po­mor­phe Züge gibt. Es ist nun ein­mal ein Fami­li­en­film, der die Jün­ge­ren auch nicht mit zu viel emo­tio­na­ler Tie­fe über­for­dern will. Dabei sind die ers­ten 60 Minu­ten bis zur Migra­ti­on der Gän­se schon in einem lücken­lo­sen Tem­po insze­niert, das kaum Zeit zum atmen lässt. Im posi­ti­ven Sin­ne. Mary Blee weiß in der Mon­ta­ge genau den rich­ti­gen Rhyth­mus zu fin­den, um auch wirk­lich jede Sze­ne auf ihre Essenz her­un­ter­zu­bre­chen, ohne das etwas von der Atmo­sphä­re ver­lo­ren geht, oder die Moti­ve unnö­tig lan­ge aus­ge­reizt wer­den. Schlag auf Schlag geht die Hand­lung vor­an und brei­tet damit eine immense Palet­te an Figu­ren, Ideen und Stim­mun­gen für ein anspruchs­vol­les Film­erleb­nis.

Wie schon eini­ge weni­ge gro­ße Stu­dio-Ani­ma­tio­nen zuvor, war für Chris San­ders auch für die­sen Film klar, dass der mitt­ler­wei­le Stan­dard  pho­to­rea­lis­ti­scher Bil­der der Hand­lung zuwi­der lau­fen wür­de. Bei den fast schon wie Aqua­rell anmu­ten­den Sze­nen kann man wirk­lich den Strich der farb­ge­tränk­ten Pin­sel sehen. San­ders Vor­stel­lung des Gemäl­des von Monet in einem Wald von Miya­za­ki haben die Dream­Works-Zeich­ner um Pro­duk­ti­ons­de­si­gner Ray­mond Zibach ganz her­aus­ra­gend visua­li­siert.

Jede Sequenz hat hier min­des­tens Ein Bild, dass man als eigen­stän­di­ges Gemäl­de rah­men las­sen könn­te. Das macht die­sen Film optisch zu einem der bes­ten Zei­chen­trick­fil­me seit vie­len Jah­ren. Und durch San­ders in alle Rich­tun­gen span­nend insze­nier­te Geschich­te wird er zu einem der bes­ten Zei­chen­trick­fil­me der jün­ge­ren Ver­gan­gen­heit. Am Ende ist DER WILDE ROBOTER ganz im Sin­ne des Erfin­ders Peter Brown, denn Lie­bens­wür­dig­keit ist eben doch eine Fer­tig­keit zum Über­le­ben.

Hier fin­det man Chris San­ders ers­ten Zei­chen­trick­film wäh­rend sei­ner Zeit auf der Cal­Arts

Wild Robot

THE WILD ROBOT
Dar­stel­ler:
Robot Roz: Lupi­ta Nyong’o
Fox Fink: Pedro Pas­cal
Goo­se Bright­bill: Kit Con­nor
Old Goo­se Long­neck: Bill Nig­hy
Bea­ver Padd­ler: Matt Ber­ry
Opos­sum Pink­tail: Cathe­ri­ne O’Hara
Grizz­ley Thorn: Mark Hamill
Fal­con Thun­der­bolt: Ving Rha­mes
u.a.

Regie & Dreh­buch: Chris San­ders
nach dem Buch von Peter Brown
Kame­ra: Chris Sto­ver
Bild­schnitt: Mary Blee
Musik: Kris Bowers
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Ray­mond Zibach
USA 2024
101 Minu­ten

Bild­rech­te: UNIVERSAL /​ DREAMWORKS ANIMATION

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