THUNDERBOLTS – Deutschlandstart am 01.05.2025
Kann Spuren von Spoilern enthalten.
Eins kann man meiner Ansicht nach inzwischen ganz klar sagen: Marvel ist immer dann mit am Besten, wenn sie Geschichten um Underdogs spinnen. Seien es beispielsweise die GUARDIANS OF THE GALAXY oder sei es ein gefallener Asgardianer bei der skurrilen TVA in LOKI.
Und so erschien es mir sofort eine recht gute Idee, die Loser°Innen aus der Vergangenheit des MCU in einem Film zusammenzubringen. Klar hätte das auch übel ins Auge gehen können, aber Drehbuch und Regie haben hier alle Register gezogen, die man mit so einer Teamzusammensetzung ziehen muss, um eben nicht in Klischees zu verfallen und zu vorhersehbar zu werden.
Im Gegensatz zu anderen MCU-Filmen, bei denen man schon ahnen konnte, was eigentlich passiert (CAPTAIN AMERICA: BRAVE NEW WORLD ist in dem Zusammenhang ein gutes Beispiel), weiß man das hier eben nicht, und das tut THUNDERBOLTS* sehr gut.
Und so wirft man die Underdog, die Loser oder sogar Unsympathen wie den Möchtegern Captain America John Walker zusammen. Dass das nicht auf Anhieb funktionieren kann, weil das alles Einzelgänger und unerträgliche Wichtigtuer sind, ist von vorneherein klar. Dass das aber eben auch Möglichkeiten zu unzähligen Onelinern und Frotzeleien gibt (um es mal vorsichtig auszudrücken), ebenfalls.
Trotz der erwartbaren und eben auch Marvel-typischen Gags hat man aber glücklicherweise davon abgesehen, das Ganze komplett ins Lächerliche zu ziehen, auch wenn sich das bei den Protagonist°Innen vielleicht angeboten hätte. Doch so einfach zieht man sich bei Marvel eben nicht gern aus der Affäre und so ist man ist einen erstaunlichen anderen Weg gegangen, einen, der diesen Film von anderen abhebt: Man geht auf die Charaktere ein, lässt sie sich und woher sie kommen im Verlauf des Films gegenseitig verstehen. Und so ist dann auch das Zusammenwachsen und das Über-sich-hinaus-wachsen der Figuren in THUNDERBOLTS* bis ins kleinste Detail durch den Film stringent inszeniert.
Überhaupt ist das ein Film über Selbsterkenntnis und das Erkennen, dass – egal was Du getan hast – es Auswege und Möglichkeiten gibt. Dass es eine Erlösung vom Bösen geben kann, wenn man das nur wirklich will. Und es ist zudem eine Geschichte darüber, dass man mehr schaffen kann, wenn man zusammenarbeitet, als wenn man es nicht tut.
Dass sich viel von dem, was ich gerade schrieb, ziemlich offensichtlich nach Allgemeinplätzen anhört liegt daran, dass es schwierig ist, weiter ins Detail zu gehen, ohne zu spoilern.
Von den Schauspieler°Innen möchte ich zum einen David Harbour hervorheben. Der ist – wie eigentlich fast immer – ausgesprochen gut gelaunt und es macht einfach Freude, ihm dabei zuzuschauen, wie er den Charakter des Red Guardian zelebriert, der eben einfach völlig over-the-top ist. Dafür wird ihm auch jede Menge Platz eingeräumt und zwischendrin reibt man sich verwundert die Augen, wenn er dann plötzlich ganz andere, nachdenkliche, Passagen raushaut.
Ebenfalls ganz grandios Lewis Pullman als … äh … Bob. Wie der zwischen gedächtnis- und auch ansonsten verlorenem Menschen und … etwas ganz anderem chargiert, das finde ich in der Darstellung schon sehr bemerkenswert.
Klar im Mittelpunkt steht Florence Pugh als Yelena Belova, an der Drehbuch und Kamera sehr oft sehr nah dran sind, und die eine Menge Zeit bekommt, über sich und ihr Leben zu reflektieren. Vielleicht die wichtigste Figur dieses Films und eindeutig der integrierende Faktor für dieses so andere Team von Superheld°Innen.
Auch Wyatt Russell als John Walker bekommt seine Momente und ich fand es ziemlich schade, dass man Hannah John-Kamen dabei fast völlig übersehen und außen vor gelassen hat. Die fünf Minuten, um auf diese Figur ein wenig mehr einzugehen, wären sicher auch noch da gewesen. Das sticht auch besonders heraus, da eben für alle anderen Charaktere Zeit vorhanden war, für Ava Starr alias Ghost aber eben nicht. Schade.
THUNDERBOLTS ist ein sehr kurzweiliger, sehr sehenswerter und auch stellenweise sehr unerwartet daher kommender Superheldenfilm aus dem MCU, insbesondere auch deswegen, weil er sich bemerkenswert viel Zeit für ruhige Töne und Betrachtungen leistet und auch genau weiß, wann der richtige Moment für Drama und wann der für flache Gags ist. Marvel ist immer dann bemerkenswert gut, wenn sie es schaffen, vermeintlichen Bösberts nicht nur Tiefe, sondern auch solide Hintergrundgeschichten zu verpassen, die die Zuschauerin die Figuren besser verstehen lässt und diese nachvollziehbarer macht.
Dass man das Kino nicht vor dem Ende des Abspanns verlässt, versteht sich von selbst. Wobei sogar schon die erste in-Credits-Szene urlustig ist, ebenso wie das, was man in den Credits vor dem Roll-Abspann zu sehen bekommt (leider geht das alles so schnell, dass man vermutlich nur die Hälfte mitbekommt – die üblichen Verdächtigen im Web werden es zu analysieren wissen).
THUNDERBOLTS* ist in der Reihe der MCU-Filme meiner bescheidenen Meinung nach ganz sicher einer der besseren.
THUNDERBOLTS*
Besetzung: Florence Pugh, Sebastian Stan, Julia Louis-Dreyfus, Lewis Pullman, David Harbour, Wyatt Russell, Hannah John-Kamen, Olga Kurylenko, Geraldine Viswanathan und andere
Regie: Jake Schreier
Drehbuch: Eric Pearson, Joanna Calo
Produzent: Kevin Feige
Ausführende Produzenten: Jason Tamez, Brian Chapek, Louis D’Esposito
Kamera: Andrew Droz Palermo
Schnitt: Angela M. Catanzaro, Harry Yoon
Musik: Son Lux
Produktionsdesign: Yash Kukde
Casting: Sarah Finn
127 Minuten
USA 2025
Promofotos Copyright Marvel Studios