Kommentar: Ich weigere mich

Anja Bagus

Ich weiß nicht, wie oft ich mich dar­über schon auf­ge­regt habe. Und jetzt ist es auch mal wie­der soweit. Mir ist vor ein paar Tagen förm­lich der Kopf geplatzt und das hört nicht auf.

Wor­um geht´s?

Es geht mal wie­der um das unsäg­li­che Ding mit dem Lek­to­rat. Und als Click­bait: es geht auch um Bücher­klau und mei­nen Sta­tus als Autorin.

Ich wei­ge­re mich.

Ich bin dage­gen, dass ein vor­han­de­nes Lek­to­rat (und am Bes­ten noch ein bezahl­tes), ein Qua­li­täts­kri­te­ri­um für Bücher ist.

Wiki­pe­dia: Als Bear­bei­tungs­form umfasst das Lek­to­rat für gewöhn­lich die recht­schreib­li­che, stilistische,grammatikalische und inhalt­li­che Ver­bes­se­rung von Tex­ten. Das Auf­ga­ben­feld eines Lek­tors umfasst über die Tätig­keit des Lek­to­rie­rens hin­aus aber auch die Prü­fung der ein­ge­hen­den Manu­skrip­te oder Typoskrip­te, die Zusam­men­stel­lung eines Ver­lags­pro­gramms, das Publi­ka­ti­ons­mar­ke­ting und die Beglei­tung von Skrip­ten bis zur Ver­öf­fent­li­chung. Durch einen Kor­rek­tor wer­den Tex­te recht­schreib­lich und gram­ma­ti­ka­lisch über­prüft. Die sti­lis­ti­sche Bear­bei­tung wird als sti­lis­ti­sches Lek­to­rat bezeich­net, das zwar zumeist ein Kor­rek­to­rat ein­schließt, jedoch stets dar­über hinausgeht.

Ein unlek­to­rier­tes Buch kann trotz­dem ein Kor­rek­to­rat genos­sen haben! Denn die schlich­te Recht­schreib­prü­fung ist etwas gänz­lich ande­res, als eine umfas­sen­de Bear­bei­tung des Tex­tes, die auch den Inhalt einschließt.

Jetzt ist ein Lek­to­rat aber teu­er. Und als Self­pu­blis­her hat man es sowie­so schwer, und ver­zich­tet aus ver­schie­dens­ten Grün­den viel­leicht darauf.

Ich habe das getan. Weil ich schlicht und ergrei­fend kein Geld dafür übrig hat­te. Und da mag es sein, dass sti­lis­ti­sche Feh­ler drin sind. Also … Augen, die wan­dern (der Klas­si­ker), oder eine Dia­log­zei­le, die nicht gesagt, son­dern gezwin­kert wird. Anfängerfehler.

Selt­sa­mer­wei­se sind es oft die Kol­le­gen, die sich an den Feh­lern sto­ßen und rei­benDas alles bedeu­tet aber ers­tens nicht, dass mein Buch schlecht ist. Es hat eini­ge Schwach­stel­len, aber es scheint doch vie­le der­art zu über­zeu­gen, dass ich immer wie­der posi­ti­ve Rück­mel­dun­gen bekom­me. Selt­sa­mer­wei­se sind es oft die Kol­le­gen, die sich an den Feh­lern sto­ßen und reiben.

Das sind manch­mal Leu­te, die selbst irre lang an ihren Tex­ten rum­fei­len und Geld aus­ge­ben, um den und den auch noch drü­ber­schau­en zu las­sen. Die sich dann völ­lig ver­lie­ren, weil sie den Über­blick nicht mehr haben, die wie­viel­te Ver­si­on ihres Tex­tes sie nun schon vor sich haben. Und sie sind so tief inner­lich ver­un­si­chert, dass es doch nur ein Lek­tor ret­ten kann, das Häuf­chen Unglück. Und die mich anfein­den und förm­lich von sich sto­ßen, weil sie es nicht begrei­fen kön­nen, wie man ein­fach so … (wenn ich so viel Geld aus­ge­ge­ben hät­te und dann kei­ner mein Buch kauft, oder ein­fach einer daher­kommt und »nichts« aus­ge­ge­ben hat, dann wäre ich auch bitter).

Aber man kann! Man kann die Fähig­keit haben, ein Buch ein­fach so zu schrei­ben. Man kann Talent haben.

Man kann es auch tun, wenn man keins hat. Ja. Und man kann auch kein Talent, aber ein rie­si­ges Selbst­be­wusst­sein haben. Man kann ein Grund für abso­lu­tes Fremd­schä­men sein, mit einem grot­ti­gen Cover und einer pein­li­chen auto­bio­gra­fi­schen Beich­te. Oder einer Mas­tur­ba­ti­ons­vor­la­ge. Das ist alles erlaubt! Weil … es die Frei­heit gibt, zu publi­zie­ren! Und das ist gut so! Es muss nicht immer die Ver­lags­dik­ta­tur sein, denn wer sagt denn, dass die Ver­la­ge der Hüter eines all­wis­sen­den Gerä­tes sind, wel­ches ihnen sagt, was gut und was schlecht ist?

Weder Lek­to­ren noch Ver­la­ge sind Göt­ter, die ange­be­tet wer­den müs­senNee, sie haben so ein Gerät nicht, sie haben Lek­to­ren. Sie haben Leu­te, die sich um das Ver­lags­pro­gramm küm­mern und schau­en, wie der Ver­lag Geld ein­nimmt. Da geht es nicht nur um Qua­li­tät, son­dern um Kom­merz. Natür­lich haben die auch Ansprü­che! Aber weder Lek­to­ren noch Ver­la­ge sind Göt­ter, die ange­be­tet wer­den müssen.

Ich will die­sen Dün­kel nicht mehr. Die­ses Gela­ber, dass die Ver­la­ge die Hüter der Buch­kul­tur sind, und dass Self­pu­blis­her Dilet­tan­ten sind. Ich will, dass sich die Het­zer an ihren Ansprü­chen ver­schlu­cken und end­lich den Mund hal­ten. Denn für jede Per­le, die ein Ver­lag publi­ziert hat, gibt es hun­der­te, die abge­lehnt wur­den. Und es ist oft nur der Dick­köp­fig­keit man­cher Autoren zu ver­dan­ken, dass Bücher trotz­dem erschie­nen sind.

Lek­to­rier­ter SchundUnd wer sich die Ver­lags­land­schaft anschaut weiß auch, dass es wel­che gibt, die mit Freu­de Schund pro­du­zie­ren, weil der auch Geld bringt. Mein Lieb­lings­schund­ver­lag Egmont Lyx erfreut mich regel­mä­ßig mit Lese­pro­ben die so furcht­bar sind, dass mir neben den Lach­trä­nen auch wel­che der Trau­er über die Wan­gen lau­fen. Und die Sachen von denen lau­fen wie geschnit­ten Brot. Lek­to­rier­ter Schund.

Ich will nicht bestrei­ten, dass Tex­te bes­ser wer­den kön­nen! Nein, das tue ich nicht!

Ich will nur bestrei­ten, dass kein Text unlek­to­riert gut sein kann!

Oder anders gesagt: Ein Text wird nicht durch ein Lek­to­rat gut! Er wird viel­leicht bes­ser, aber … wie sag­te es jemand in einer Dis­kus­si­on: Man macht aus einem aus­rei­chen­den Text einen befrie­di­gen­den. Und aus einem guten Text viel­leicht einen sehr guten. Aber aus einem aus­rei­chen­den Text kaum einen sehr guten. Es kommt auf das Aus­gangs­ma­te­ri­al an. Und das bezwei­fel ich auch nicht!

Aber noch ein­mal: Zu sagen, dass kein Text unlek­to­riert sein soll, ist schlicht und ein­fach falsch.

Was aber unbe­streit­bar ist: Kein Text soll­te unkor­ri­giert sein. Dafür gibt es die ver­schie­dens­ten Mög­lich­kei­ten. Und kein Text soll­te gestoh­len werden.

Ich fin­de es schlimm, dass die jüngs­ten Abschreib-Affai­ren wie­der auf die Self­pu­blis­her zurück fal­len. So etwas gab es auch schon immer. Ist kein neu­es Phänomen.

Ich bin froh, dass die meis­ten Self­pu­blis­her den Kopf hoch hal­ten. Es ist ein sau­sch­we­res Geschäft. Auch ohne Bashing. Die meis­ten von uns geben alles und ein biss­chen mehr, um ihr Buch gut zu machen und haben es nicht nötig, dass man die Nase über sie rümpft.

Lasst euch nichts erzäh­len. Es braucht kei­nen Bücher-TÜV oder eine ande­re Zen­surDaher: Lasst euch nichts erzäh­len. Es braucht kei­nen Bücher-TÜV oder eine ande­re Zen­sur. Was schlecht ist, wird ein­fach nicht gele­sen wer­den. Und die, die ewig zischen und mot­zen … die kön­nen mich mal.

Ich wei­ge­re mich, mich schlecht des­we­gen zu füh­len. Ich bin Autorin und glau­be auch, dass ich eine ganz gute bin. Und falls ich mei­nen eige­nen Ansprü­chen mal nicht mehr genü­ge, dann höre ich auf. Aber nicht, weil ich nicht genug Geld für eine optio­na­le Dienst­leis­tung hatte.

Anja Bagus

 

Anm. des Red.: Der Kom­men­tar erschien ursprüng­lich auf der Web­sei­te von Anja Bagus, ich durf­te ihn hier freund­li­cher­wei­se zweit­ver­wer­ten. Noch zum The­ma: Ers­tens: Der Begriff »Lek­tor« ist in Deutsch­land nicht geschützt. Jeder kann sich »Lek­tor« nen­nen und sofort die­se Dienst­leis­tung anbie­ten. Damit möch­te ich nicht die Leis­tung pro­fes­sio­nel­ler und guter Lek­to­ren schmä­lern, ich möch­te nur die Per­spek­ti­ve zurecht­rü­cken. Und fri­sche Self­pu­blis­her dar­auf hin­wei­sen, dass man zuerst genau prü­fen soll­te, bevor man eine Dienst­leis­tung bezahlt.
Zwei­tens: Einen Ver­lag grün­den ist ein­fach. Zum Gewer­be­auf­sichts­amt gehen, Gewer­be­schein bean­tra­gen, 25 Euro auf den Tisch wer­fen. Fer­tig ist der Ver­lag. Auch hier muss man ganz klar sagen, dass es gera­de im Bereich Phan­tas­tik gran­dio­se Klein- und Kleinst­ver­la­ge gibt. Aber der Unter­schied zum Self­pu­blis­her kann klei­ner sein als man viel­leicht denkt.
p.s.: Wer Schreib­feh­ler fin­det, darf sie sich in ein Sam­mel­al­bum kleben.

Foto Anja Bagus von Impres­sed Arts by A. Birkenheuer

AutorIn: Anja Bagus

7 Kommentare for “Kommentar: Ich weigere mich”

Christian Michael

sagt:

Hey, wenn das Pam­phlet oben die­sel­be Qua­li­tät hat, wie Dein Buch, dann weiß ich nicht, was ein Lek­tor dar­an groß ver­bes­sern sollte.
*Dau­men hoch*

Gruß
Christian

Bandit

sagt:

-
Also, ich bin beim Text über das Bei­spiel »die Augen, die wandern«
gestol­pert. Wenn ich beim Fei­er­abend-Bier im Bier­gar­ten sit­ze, dann
wan­dern natür­lich mei­ne Augen. Über die Leu­te, die Sze­na­ri­en, und
mach­n­mal in ein lee­res Glas. Und ich bin kein Autor.

Aus sicher­lich ver­ständ­li­chen Grün­den, kann ich nicht ins Detail gehen.
Aber wenn die Geschich­te noch so gut ist, sich aber Schreibfehler,
oder Wort­ver­dre­her unab­läs­sig abwech­seln, dann tue ich mich schwer
den Autor ernst zu neh­men. Ich weiß wovon ich rede, weil ich ehrlich
gesagt, auch immense Pro­ble­me mit Kra­ma­tik habe. Ernsthaft.

sagt:

Kor­rek­ter­wei­se wan­dert nach der rei­nen Leh­re der Blick und nicht die Augen. Aber man könn­te das tat­säch­lich auch als Korin­thenk­a­cke­rei bezeichnen …

Bandit

sagt:

-
Aber wenn ich den Blick ver­än­de­re muss ich doch die Augen bewegen!
Jaaa, Du magst nach der rei­nen Leh­re Recht haben. Zuge­ge­ben, aber
da gibt es wohl bei den Selbst­ver­le­gern ganz ande­re, schwerwiegendere
Beispiele.

sagt:

[…] (und anders­wo) mel­de­ten sich gleich meh­re­re Korin­thenk­a­cker zu Wort, die sich nicht inhalt­lich mit Anjas Arti­kel befass­ten, son­dern auf einer ihrer Ansicht nach uner­träg­li­chen Häu­fung von Ausrufezeichen […]

sagt:

Der zu ver­gol­den­de Kom­men­tar stammt von Dian­dra Lin­ne­mann:

»In der gan­zen Dis­kus­si­on hat mich am meis­ten gewun­dert, dass die »eta­blier­ten Autoren« und »Pro­fis« offen­bar nicht rich­tig lesen kön­nen (oder wol­len). Du hast ja nie gesagt, dass ein Lek­to­rat unnö­tig oder über­flüs­sig ist – nur, dass es auch ohne gehen KANN. Gars­ti­ge alte Frau, die ich bin, bin ich in dem Moment dann ganz froh, dass Leu­te mit so begrenz­ter Lese­kom­pe­tenz sich dann doch fach­li­che Hil­fe holen.«

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