Bandit bespricht: WIR – US

US- & Bun­des­start 21.03.2019

Um es sich ein­fach zu machen, nennt man es Hor­ror. Doch wo bewegt sich Fil­me­ma­cher Jor­dan Pee­le tat­säch­lich, auch wenn es einem bei sei­nen Fil­men oft­mals eis­kalt den Rücken hin­un­ter läuft. Pee­le war haupt­säch­lich als Dar­stel­ler im Komö­di­en­fach unter­wegs, schrieb durch­aus auch mal Dreh­bü­cher für Dra­ma-Seri­en. Doch mit sei­ner vor zwei Jah­ren ein­ge­schla­ge­nen Rich­tung hat er so man­chen sei­ner Kol­le­gen wahr­lich über­rascht, als er sich mit sei­nem Regie-Debut für etwas ganz Eige­nes ent­schied. Nach nur zwei Fil­men, die bei Jor­dan Pee­le mit Buch und Regie ein­her gin­gen, macht er sein Gespür für das Erzäh­len deut­lich. Und auch wenn er dabei ger­ne das Kli­schee bedient, so hat dies durch­aus sei­ne Bedeu­tung. So führt er sein Publi­kum dahin, von wo es kein Zurück mehr gibt.

»Das sind wir«, lau­tet der Satz, der nicht nur Grund­le­gen­des erklärt, son­dern sich nach und nach auf wei­te­ren Ebe­nen ent­fal­tet. Natür­lich ist die Aus­gangs­si­tua­ti­on die eines Hor­ror­films. Doch was sich bei WIR dar­aus ergibt, ist der Prä­mis­se von Erst­ling GET OUT sehr ähn­lich. Eine Fami­lie wird von ihren Dop­pel­gän­gern bela­gert, bedroht und schließ­lich gejagt. Aber dahin­ter, zu Anfang noch nebu­lös, ver­birgt sich ein breit gefä­cher­tes Pan­op­ti­kum von Bedro­hung, Rät­sel und Inter­pre­ta­ti­ons­mög­lich­keit. Hier löst sich dann auch die Ver­bin­dung zu GET OUT, der schlüs­sig und strin­gent zu sei­nem Ende kam. WIR hin­ge­gen wird im wei­te­ren Ver­lauf immer grö­ßer und grö­ßer. Fra­gen, die schein­bar beant­wor­tet wer­den, wer­fen in Wirk­lich­keit nur noch mehr Fra­gen auf.

Die Kunst und das Ansin­nen eines begie­ri­gen Publi­kums ist die Viel­falt von Sinn­bil­dern und Andeu­tun­gen zu inter­pre­tie­ren. In ers­ter Linie ist es Dua­li­tät und Refle­xi­on. Doch ein Zusam­men­hang der ver­schie­de­nen Deu­tungs­va­ri­an­ten, wel­che sich dar­aus erge­ben, wird zu einem wei­te­ren Rät­sel. Hin­ter dem Offen­sicht­li­chen, möch­te Pee­le eine Kom­ple­xi­tät her­aus­ar­bei­ten, die nicht wirk­lich greif­bar wird. Die Bild­ge­stal­tung von Kame­ra­mann Mike Giou­la­kis beglei­tet die Figu­ren in den jewei­li­gen Set­tings rein aus der Sicht des Zuschau­ers, er macht ihn zum Zeu­gen, und arbei­tet dabei sehr mani­pu­la­tiv. Was her­vor­ra­gend funk­tio­niert, weil es einen Sog von Neu­gier­de ent­wi­ckelt. Als die Fami­lie noch unbe­darft am Strand ent­lang geht, ist die Kame­ra auf­sich­tig und man sieht die Schat­ten der Prot­ago­nis­ten über den Sand wan­dern, die gewal­ti­ger sind, als die Cha­rak­te­re selbst. Die­ses Bild wird sich wie­der­ho­len, und ein­mal schei­nen die Schat­ten der Ein­dring­lin­ge sogar auf die Fami­lie zuzu­ge­hen. Dua­li­tät, stets ver­bun­den mit den Fra­gen, ob jeder wirk­lich ist, der er glaubt zu sein, und wie ver­bun­den man mit einem ande­ren Ich wirk­lich sein kann.

Nicht lan­ge in den Film hin­ein bricht das Kon­strukt des inti­men Grau­ens auf und wird zu einer viel­schich­ti­ge­ren Betrach­tung über all­ge­mei­ne Zustän­de in allen Berei­chen von Exis­tenz und Welt­bild. Jor­dan Pee­le beginnt sein Publi­kum zu über­for­dern, ver­lässt aber den Pfad der kon­ven­tio­nel­len Erzäh­lung nicht. Irgend­wann ein­mal fal­len drei Wor­te, die zuerst schwer ein­zu­ord­nen sind, aber die Absich­ten hin­ter dem Netz von Deu­tun­gen klar wer­den las­sen. Jor­dan Pee­le hat mit sei­nem zwei­ten Spiel­film ein Publi­kum gefun­den, wel­ches nicht ein­fach nur neu­gie­rig ist, son­dern die Kunst des Hand­werks im Film zu schät­zen weiß. In die­sem Sin­ne ist viel­leicht auch WIR im Gen­re des Hor­ror ein­zu­stu­fen. Er weiß, wie man Bild­spra­che, Musik und sei­ne Dar­stel­ler ein­set­zen muss, um den rich­ti­gen Nerv zu tref­fen. Was dar­über hin­aus geht, und dies ist eigent­lich auch die Essenz des Films, dürf­te für die meis­ten im Publi­kum schwer zu fas­sen sein.

WIR – US
Dar­stel­ler: Lupi­ta Nyon­g’o, Eli­sa­beth Moss, Win­s­ton Duke, Shaha­di Wright Joseph, Evan Alex u.a.
Dreh­buch & Regie: Jor­dan Peele
Kame­ra: Mike Gioulakis
Bild­schnitt: Nicho­las Monsour
Musik: Micha­el Abels
Pro­duk­ti­ons­de­sign: Ruth De Jong
116 Minuten
USA 2019

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AutorIn: Bandit

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