Eine Variante sind digitale Wasserzeichen im Buch, sogenanntes Soft-DRM. Damit kann man erkennen, wer das eBook ursprünglich erworben hat und damit möglicherweise feststellen, wer das Ding in die Tauschbörse gestellt hat (wobei ich die Beweiskette wirklich gern mal vor Gericht sehen würde). Auch die sind aber leicht manipulier- oder entfernbar.
Der MVB (also der Börsenverein) hat jetzt das Fraunhofer-Institut Darmstadt mit der Entwicklung eines Wasserzeichens beauftragt (Korrektur vom 13.06.2014: Bösenverein und MVB sind nicht Auftraggeber, entwickeln das Projekt aber zusammen mit dem Fraunhofer-Institut), das auf »Textänderungen basiert«. Das System trägt den branchentypisch klobigen Namen »Sichere Dokumente durch individuelle Markierung« oder kurz SiDiM, das berichtet das Börsenblatt.
Was sich auf den ersten Blick nicht gerade schwerwiegend anhört, ist wenn man genauer nachsieht, eine grobe Unverschämtheit gegenüber den Werkschöpfern. Sieht man sich die Beispieltexte mal an (siehe PDFs im verlinkten Artikel), stellt man fest, dass das System darauf basiert, in einem eBook haufenweise kleine und angeblich »nicht ins Gewicht fallende« Änderungen am Inhalt vorgenommen werden. Beispiele gefällig? Bitte:
Aus
Der Staub den er aufwirbelte, ließ ihn unsichtbar aus der Stadt verschwinden.
wird
Der Staub den er aufwirbelte, ließ ihn nicht sichtbar aus der Stadt verschwinden.
Oder aus
Heute leben wir in einem Paradies, das in eurer Zeit nicht denkbar gewesen wäre.
wird
Heute leben wir in einem Paradies, das in eurer Zeit undenkbar gewesen wäre.
Man weist mit nicht übersehbarem Stolz darauf hin, dass diese Textänderungen vom entwickelten System automatisiert in die eBooks eingefügt werden, wodurch es problemlos in die bestehenden Produktionsprozesse integriert werden kann.
Wie bitte? Geht es nur mir so, oder müsste bei Autoren und Lektoren angesichts dieses merkwürdigen System Übelkeit ausbrechen? Da ringt man wochen‑, monate- oder jahrelang mit den Wörtern, damit sie so angeordnet werden, wie man es für am gelungensten hält, streitet sich ausgiebig aber fruchtbar mit dem Lektor, weil der oder die das ganz anders sieht – und nach all diesem Ringen soll man akzeptieren, dass ein automatisiertes System nach irgendwelchen Algorithmen beliebige und haufenweise (es müssen viele sein, um bei großen Auflagen eine eindeutige Identifizierbarkeit des Werkes herzustellen) Änderungen am mühsam erarbeiteten Text durchführt? Gerade das erste Beispiel zeigt die Schwächen von SiDiM sehr deutlich.
Meine Meinung: geht überhaupt nicht! Man kann allerdings an diesem »Wasserzeichen« wieder einmal erkennen, welchen Respekt die Publikumsverlage vor dem Werk der Autoren und der Leistung der Lektoren haben: gar keinen.
Ich würde als Verbraucher um eBooks, die auf diese Art und Weise verfälscht wurden einen weiten Bogen machen. Oder ist das gar eine Marketingmaßnahme für Printbücher? Denn die wären ja nach wie vor so, wie sie ursprünglich sein sollten.
Eine derartige Schnapsidee kann nur aus den staubigen Katakomben des Börsenvereins kommen …
Bild: eBook-Wasserzeichen von mir, CC BY-SA-NC
Related posts:
AutorIn: Stefan Holzhauer
Meist harmloser Nerd mit natürlicher Affinität zu Pixeln, Bytes, Buchstaben und Zahnrädern. Konsumiert zuviel SF und Fantasy und schreibt seit 1999 online darüber.
12 Kommentare for “Neue Posse des Börsenvereins: inhaltsverändernde Wasserzeichen in eBooks”
Stefan Kramperth
sagt:Damit kann man in Zukunft sogar erkennen, wer von einer raubkopierten Quelle zitiert hat…
BTW: Dein mobiles Template funktioniert beim Kommentieren nicht richtig. Irgendein php fehlt.
Rashka
sagt:Ja wie genial ist das denn!!!
Man könnte das mit einem Automatismus koppeln, der gleich alle moralisch bedenklichen Textpassagen umwandelt. Damit sind dann zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Ja gar besser noch: Unterscheidet sich dadurch der publizierte Text vom Original signifikant, verfällt doch das Urheberrecht des Autors und die Recht am neuen Werk liegen automatisch beim Puslisher!
Und ich bin mir sicher auch bei Koch- und Medizinbüchern macht sich das System ganz doll!
Stefan Holzhauer
sagt:oh, das höre ich zum ersten Mal. Ist eigentlich ein ganz normales WPTouch. Hast Du eine Fehlermeldung bekommen?
Stefan Holzhauer
sagt:Ob man den automatisch agierenden, algorithmusbaierten Bots eine Schöpfungshöhe zusprechen kann? Ach was, das kriegt die Lobby schon hin, zur Not kuschelt der Rösler wieder mal mit jemandem wie dem Diekmann, dann geht das schon …
Martin
sagt:Ganz ehrlich? Wenn ich vor einem Kauf davon Kenntnis habe, daß ein Buch solcherart verändert wurde, werde ich es nicht kaufen. Wie man auch so einen Mist überhaupt kommen kann …
Stefan
sagt:Bezüglich des Template-Problem: Hier ein Screenshot. Diese Meldung kommt, nachdem man auf Absenden geklickt hat.
http://www.teamlambchop.de/wp-content/Screenshot_2013-06–10-12–20-15.png
Stefan Holzhauer
sagt:Danke. Ich seh´s mir mal an.
Sebastian
sagt:Ich seh das so wie Martin – wer solch eine Technik einsetzt, der wird von mir boykottiert.
Kopf sucht Tischplatte: Wasserzeichen-DRM | SchreibsuchtSchreibsucht
sagt:[…] ist die spezifische Veränderung des Textes im Vergleich zum Original. Wie genau das aussieht, hat Stefan Holzhauer bei Phantanews bereits schön dargestellt. Daher gehe ich hier nur mal auf die Auswirkungen ein, die mir schon in den ersten 5 Minuten ohne […]
DRM der Zukunft: Individualisierte E-Books. Ernsthaft? » Debatte, eBooks » lesen.net
sagt:[…] Eine Autorin warnt unter anderem davor, sprachliche Eleganz könnte verloren gehen, ein Blogger sieht automatische Textveränderungen durch SiDiM sinnbildlich für den mangelnden Respekt, den Verlagen […]
SiDiM – Schwachsinn der zur Methode wird? | Bibliothekarisch.de
sagt:[…] Johannes: DRM der Zukunft: Individualisierte E‑Books. Ernsthaft?, Lesen.net Holzhauer, Steffen: Neue Posse des Börsenvereins: inhaltsverändernde Wasserzeichen in eBooks, Phantanews Eckenfels, Mela: Kopf sucht Tischplatte: Wasserzeichen-DRM, Schreibsucht Warner, […]
» Verschwörungs-News-Ticker Nerd6
sagt:[…] Der Buchhandel kommt auf putzige Ideen: Sie verfälschen Passagen in eBooks, um nachher nachweisen z.… Wenn man doch die ganze Energie statt in DRM in sinnvolle Projekte stecken könnte, wie schön könnte unsere digitale Welt dann sein? […]
Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies und von eingebundenen Skripten Dritter zu. Weitere Informationen
Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest (Navigation) oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst Du Dich damit einverstanden. Dann können auch Cookies von Drittanbietern wie Amazon, Youtube oder Google gesetzt werden. Wenn Du das nicht willst, solltest Du entweder nicht auf "Akzeptieren" klicken und die Seite nicht weiter nutzen, oder Deinen Browser im Inkognito-Modus betreiben, und/oder Anti-Tracking- und Scriptblocker-Plugins nutzen.
Mit einem Klick auf "Akzeptieren" werden zudem extern gehostete Javascripte freigeschaltet, die weitere Informationen, wie beispielsweise die IP-Adresse an Dritte weitergeben können. Welche Informationen das genau sind liegt nicht im Einflussbereich des Betreibers dieser Seite, das bitte bei den Anbietern (jQuery, Google, Youtube, Amazon, Twitter *) erfragen. Wer das nicht möchte, klickt nicht auf "akzeptieren" und verlässt die Seite.
Wer wer seine Identität im Web schützen will, nutzt Browser-Erweiterungen wie beispielsweise uBlock Origin oder ScriptBlock und kann dann Skripte und Tracking gezielt zulassen oder eben unterbinden.
* genauer: eingebettete Tweets, eingebundene jQuery-Bibliotheken, Amazon Artikel-Widgets, Youtube-Videos, Vimeo-Videos
Schließen